Die Welt ist voller Gerede, voller interessanter und uninteressanter Themen die man diskutieren kann. Es passieren viele Ereignisse die man kommentieren, Phänomene die man ergründen und Menschen über die man sprechen kann. Überall gibt es tausende Infos, Mitteilungen oder Medien, Themen die alle relevant finden, Themen zu denen man Stellung beziehen kann oder die einen berühren können.
Es mag oft notwendig erscheinen in irgendeiner Weise Anteil an diesen ganzen Geschichten und Ereignissen um einen herum zu nehmen, einfach um mitreden zu können, um den Erwartungen zu entsprechen und um dazu zu gehören….
aber ganz ehrlich, manchmal interessiert das alles einen Scheiß und man sollte viel mehr Anteil an dem eigenen Leben, Befinden und den Verbindungen die man zu anderen hat, nehmen. Wenn andere Themen als wichtiger, einfacher, als Entschuldigung, Rechtfertigung oder Ablenkung vorgeschoben werden, um von sich selbst abzulenken, von den eigenen Themen, Macken und Baustellen, dann kommt man an den Punkt an dem man sich fragen sollte was einem wichtiger ist. Die eigene Angst zu schützen und in Kauf zu nehmen, dass man andere damit verletzt oder sollte man sich den eigenen Themen stellen. Vermeiden der eigenen Themen heißt nämlich vermeiden in Kontakt oder in Beziehung mit anderen zu treten und damit andere allein zu lassen und selbst allein zu sein. Es heißt zu vermeiden sich zu offenbaren, sich zu streiten, in Auseinandersetzung zu gehen und Anteil und Interesse an einander zu nehmen.
Das hat bestimmt mit allem zu tun, aber nicht mit mir
Oft sind Menschen mit den eigenen Emotionen beschäftigt und befangen ohne sich dessen bewusst zu sein, ohne sich aktiv diesen Emotionen zu zu wenden um einen konstruktiven Umgang mit ihnen zu erlernen. Die eigenen Konflikte, Herausforderungen und Bindungen können sehr starke Emotionen auslösen, besonders wenn Menschen involviert sind, die uns wichtig sind und die uns etwas bedeuten und deren Verhalten uns im Positivem oder Negativem nahe geht. Auch unsere eigene Bedürftigkeit und die Art und Weise wie andere mit unseren eigenen Gefühlen, Wünschen und Anliegen umgehen kann uns ganz schön einnehmen und emotional aufwühlen. Die entstehenden Emotionen können sehr unangenehm sein, weshalb es viele Vermeidungsstrategien/Abwehrmechanismen gibt, die wir Menschen unbewusst anwenden um diese unangenehmen Emotionen loszuwerden oder zumindest zu verdecken, abzuschwächen.
1.) Da die meisten anderen Dinge vor einem starken emotionalen Hintergrund oft ihre Bedeutsamkeit verlieren können wir Informationen, oder Bedürfnisse anderer in emotionalen Situationen oder emotionaler Grundstimmung oft nicht an uns heran lassen. Das heißt wir blocken ab, reagieren aggressiv auf Konfrontation und haben ein Desinteresse an allem was uns nicht emotional erreicht und nicht unsere akuten Emotionen bewegen kann. Dies führt oft zu Problemen im Umfeld und zu Einsamkeit.
2.) Es gibt auch den Fall, dass alle eigenen inneren Vorgänge und Gefühle ignoriert, verdrängt und hinten an gestellt werden um beispielsweise allen Erwartungen zu entsprechen. Die eigenen Gefühle werden dann weg gedrückt da sie stören und man versucht zu funktionieren. Wenn wir versuchen unsere Emotionen zu ignorieren, uns von diesen abzulenken und versuchen diese zu betäuben, anstatt uns aktiv mit ihnen auseinander zu setzen, werden wir unglücklich.
3.) Es kann auch leichter sein sich Stellvertreterkonflikte zu suchen, Stellvertreter die für einen das Leben verwirklichen das man selbst nicht hat, Stellvertreter mit denen man mitfühlt… einfach um nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein zu sich selbst Stellung beziehen zu müssen, also eigene Gefühle oder Bedürfnisse bemerken oder offenbaren zu müssen. Das Leben wirkt einfach leichter und ungefährlicher wenn wir unsere Befindlichkeiten und Bedürftigkeit auf andere Projizieren oder andere stellvertretend unsere Emotionen ausdrücken, unseren Traum leben und wir nur passiv zuschauen müssen. Wir müssen uns dann nur noch mit diesen Menschen identifizieren oder etwas auf sie projizieren und schon haben wir es uns in einer Illusion bequem gemacht.
Diese (Leugnen, Verdrängung/Verleugnung, Projektion/Identifikation) und andere Vermeidungsstrategien/Abwehrmechanismen sorgen alle dafür, dass wir uns nicht unseren inneren psychischen Konflikten stellen müssen. Diese Strategien sind auf der einen Seite notwendig und hilfreich um unser psychisches Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, auf der anderen Seite stehen wir uns mit diesen Strategien oft selbst im Weg. Diese oft unbewussten Vermeidungsstrategien sind oft schlecht für unsere sozialen Beziehungen und führen häufig zu ungesunden Verhaltensweisen (Interaktionsmustern). Deshalb stellt sich die Frage, was hat mein Leben und Erleben mit mir zu tun?
Die Angst zu sich selbst Stellung zu beziehen
Grund für Vermeidung ist eigentlich immer Angst vor dem was uns erwarten könnte. Angst vor den Emotionen die in uns ausgelöst werden könnten wenn wir uns dem Stellen was da in uns schlummert oder brodelt. Angst vor den Reaktionen anderer wenn wir authentisch sagen was wir empfinden, oder sagen was in uns vor geht und welches Gefühl wir zum Gegenüber haben. Angst vor den Konsequenzen die es haben könnte, wenn wir oder andere merken, dass wir nicht der Mensch sind, der wir zu sein glaubten etc.
Zu sich selbst Stellung zu beziehen, sich selbst einzugestehen, dass man eigene Themen, Probleme, Ängste und Sorgen hat, ist schwer und manchmal kaum zu ertragen. Ungewünschte Erkenntnisse über einen selbst können lähmen, können eine Last sein und einen vor viele Fragen stellen. Sich selbst einzugestehen, dass man viele schwere Emotionen trägt oder unter der Facade alles gar nicht so schön aussieht, ist manchmal eine große Last. Zu akzeptieren dass das Leben und die eigenen Gefühle einen ans äußerste des Bewälltigbaren bringen können und man nicht immer souverän alles im Griff haben wird, kann verunsichern und Angst machen. Die tiefen und starken Emotionen die vielleicht hoch kommen könnten und die Frage wie andere auf dieses Bild von uns selbst reagieren kann abschrecken.
Deshalb tun wir oft lieber so, als ob alles in Ordnung ist, als ob wir jemand anderes sind, als ob wir anders empfinden… All dieses „so tun als ob“ distanziert uns aber von uns selbst und von unseren Mitmenschen und verhindert damit den engen emotionalen Kontakt den sich eigentlich jeder Mensch ersehnt.
Das bin ich
Wenn man so in sich hinein horcht kann es so wirken, als ob es wesentlich lohnenswerter ist, das alles weg zu drücken, die Energie in die Verschleierung zu stecken und lieber durch andere zu leben und die eigenen Emotionen durch Stellvertreter ausdrücken zu lassen und unsere Bedürfnisse in andere Menschen zu projizieren. Erscheint so ein Leben nicht attraktiv und reizvoll? Keine Herausforderungen die man nicht überblicken kann, keine Gefühle die einen aus der Fassung bringen, keine Risiken die wir mit unseren Mitmenschen eingehen müssen…. Welchen Grund also könnte es wohl geben sich mit sich selbst beschäftigen zu wollen, welchen Sinn hat es etwas zu suchen wovon man sich nicht sicher ist ob man es finden möchte?
Warum sollte man die Gefahr eingehen, dass zu finden was einen ausmacht. Sich selbst zu finden, wenn das nicht die Person ist, die man gerne sein möchte? Warum sollte man nicht lieber versuchen jemand zu sein, der man nicht ist? Weil man ständig Angst davor haben muss, dass der Schwindel auffliegt? Weil man nie weiß wie andere zu einem stehen, da sie einen nicht wirklich kennen und man deshalb anderen Menschen auch nie wirklich nahe kommt? Weil es einsam und krank machen kann sich ein leben lang zu verbiegen? Weil man sich selbst nie verstehen wird und nie das Leben finden wird, dass zu einem passt, wenn man nicht akzeptiert, was alles in einem schlummert?
Naja. Was sollen das für Gründe sein, solange es läuft ist doch alles gut? Ja klingt doch gut, aber die Frage die sich stellt, ist wohl, wie gut läuft es denn wirklich, wenn man so absolut ehrlich zu sich ist. Und falls es tatsächlich läuft, wie lange geht dieses Rollenspiel gut und welche Begleiterscheinungen muss man alles in Kauf nehmen?
Selbstoffenbarung statt Konventionen
Jeder Mensch sollte sich dafür entscheiden zu sich selbst Stellung zu beziehen, all die Ausreden sein lassen und zu dem zu stehen der man ist, mit allen Makeln, Schwierigkeiten, Emotionen und Ängsten. Jeder Mensch sollte versuchen ab und an auf die Konventionen oder Ausflüchte zu verzichten und sich statt dessen den eigenen Emotionen zuwenden, diese ergründen und sich damit offenbaren.
Es lohnt sich zu sich selbst Stellung zu beziehen, zu akzeptieren wer man wirklich ist und dies auch zu zeigen. Authentisch eigene Empfindungen auszudrücken und Sachen nicht auf sich beruhen zu lassen wenn es einem damit nicht gut geht, sondern hierzu Stellung zu beziehen.
Wir sollten wenn wir emotional wo anders sind nicht nur sagen, dass ganze Gerede interessiert mich einen Scheiß…, sondern auch dazu sagen, weil ich über uns sprechen möchte, darüber was du mir bedeutest oder was mich verletzt, was mich beschäftigt oder ärgert, was mich freut, frustriert oder wie wichtig du mir bist. Das sollte man nicht tun weil es sinnvoll ist, einen weiter bringt im Leben oder zufriedener macht. Nein.
Das sollte man tun seiner selbst wegen und wegen der Menschen die einem wichtig sind und einem etwas bedeuten!! Oder anders gesagt, dass sind wir uns selbst schuldig. Das brauchen wir um uns wohl zu fühlen und das brauchen unsere Mitmenschen wenn wir ihnen nicht vor den Kopf stoßen wollen. Wie alle brauchen diesen echten, authentischen ungestellten Kontakt um einander zu spüren, uns selbst zu spüren und um wirklich zu leben. Alles andere ist nur ein „so tun als ob“.
Um das zu verstehen was in einem vor geht, um den Zugang zu den eigenen Gefühlen zu verbessern oder um die eigenen Gefühle besser ausdrücken zu können braucht es oft eine Fremdperspektive, jemand der einem spiegelt wie er uns wahr nimmt. Dies geht mit viel Offenheit im Freundeskreis, Selbsterfahrungsgruppen, Therapie, Gruppentherapie oder einfach im Alltag durch die ehrliche Interaktion mit anderen.
euer Johannes Supertramp