EigenerText: Leben statt nur zu funktionieren – positive Emotionen finden

Das Leben und der Alltag bringen viele Anforderungen mit sich, man soll funktionieren, seinen Job gut machen, am besten in einer Beziehung sein, dabei noch Freundschaften und soziale Kontakte pflegen und obendrauf am besten glücklich und zufrieden sein oder zumindest eine abwechslungsreiche und interessante Freizeitgestaltung haben. So zumindest wird es oft suggeriert, in der Werbung, den Medien etc. Am besten sollte man alles super hin bekommen, denn in einem entsprechend gefüllten „perfekten“ Leben ist kaum Platz für individuelle Lebenslagen, tiefgehende Sinnfragen, emotionale Krisen oder persönliche Herausforderungen. Und ohne all diese genannten Unwägbarkeiten funktioniert man natürlich besser und fügt sich besser in die gesellschaftlich zugesprochene oder erwünschte, konforme Lebensweise ein. Man wird besser zum Zahnrad im gesellschaftlichen Getriebe, wenn man all die persönlichen Gefühle und Herausforderungen abstellen würde.

Wir funktionieren nicht, wir leben

Diese scheinbare Realität in der jeder funktioniert, die so oft nach außen suggeriert und inszeniert wird, existiert aber nicht oder existiert nur dann, wenn wir meisterhaft unsere Gefühle verdrängen und nur noch danach leben wie wir nach außen wirken und uns danach richten was andere von uns erwarten. Dass letzteres kein nachhaltiges, also langfristig funktionierendes Lebenskonzept sein kann, kann man sich denken. Niemand kann dauerhaft etwas inszenieren das er nicht ist und niemand kann alles richtig oder es allen recht machen ohne daran zu zerbrechen.

Bei dem Versuch dem gesellschaftlichen Idealbild zu entsprechen, wird so viel Facade und Selbstdarstellung benötigt, dass es kaum mehr möglich ist ehrliche, authentische und damit wirklich tiefe emotional nahe Bindungen zu anderen Menschen her zu stellen. Man wird einsam und die anderen haben Angst vor einem, da sie sich in ihrer Menschlichkeit, mit allen aufs und abs, dem immer funktionierenden Individuum unterlegen fühlen. Da in der öffentlichen Wahrnehmung selten die menschlichen Seiten dargestellt werden, z.B. das eigene überfordert sein, Angst vor dem Scheitern oder die eigene Unsicherheit, denken wir, dass das unerwünschte Seiten sind, die wir verbergen und beherrschen müssen.

Wir verweigern uns deshalb oft den Gedanken, dass andere uns gerade für unsere menschlichen Seiten, die emotionalen Schwankungen, Eigenheiten, Ängste, Traurigkeit und individuellen Persönlichkeitsmerkmale mögen und wertschätzen, auch wenn wir diese nicht gerne zeigen und nicht stolz drauf sind. Gerade aber dies macht uns als Mensch aus, dass wir nicht wie eine Maschine funktionieren, sondern dass wir Gefühle haben die uns lebendig machen. Wenn wir diese womöglich „peinlichen“ Gefühle zulassen und zeigen können schaffen wir Nähe zu anderen Menschen, da andere sich selbst in uns wieder finden.

Vor lauter Funktionieren vergessen wir uns selbst

Oft beschäftigen wir uns so viel mit Status, Karriere, wie wir auf andere wirken etc., dass wir ganz vergessen zu schauen, was wir eigentlich selbst brauchen, was uns gut tut, welche Wünsche wir haben und vor allem welche Gefühle wir in uns tragen.

Dabei geht es doch alltäglich in dem Leben eines jeden Menschen in erster Linie um Gefühle und Emotionen. Sei es, Lustlosigkeit in der Früh beim Aufstehen, der Wunsch gesehen und wertgeschätzt zu werden, die Vorfreude auf ein schönes Ereignis, Angst wegen Konflikten in den Beziehungen die man beruflich oder privat hat, sei es die Euphorie wenn man etwas gut kann oder aber die Traurigkeit weil man sich unverstanden oder einsam fühlt, jemanden vermisst oder enttäuscht wurde. Jeder Tag besteht aus zahllosen Emotionen, die kommen und gehen, im Hintergrund oder ganz präsent in uns leben. Diese Gefühle sind wichtig und machen uns zu dem der wir sind, und diese Gefühle sind es auch, die uns menschlich machen, dazu führen, dass wir uns moralische Fragen stellen und nicht einfach nach Schema A unser Leben nach gesellschaftlich angesehenen Skripten abspulen können oder wollen.

Das Leben, unsere Erlebnisse und Bindungen stellen uns immer wieder vor viele Fragen, auf die wir eine für uns stimmige Antwort finden müssen. Wir müssen Entscheidungen treffen, die unseren Lebensweg bestimmen und versuchen Widersprüchliche oder sich verändernde Wünsche und Bedürfnisse, die sich in der Sprache unserer Emotionen mitteilen, zu berücksichtigen. Da es kein Standard, nach Plan verlaufendes, Leben gibt, in dem für jede Situation oder jedes Gefühl eine Anleitung und ein Plan existiert, müssen wir lernen unsere Gefühle wahrzunehmen, ihre Entstehungsgeschichte (Emotionsgedächtnis) zu verstehen und zu reflektieren, was uns dies sagt. Wir müssen unseren individuellen Weg gehen und unseren eigenen Weg finden mit Schwierigkeiten und Anforderungen umzugehen. Diese Fähigkeit, mit bestimmten Ereignissen, Erfahrungen, Emotionen etc. auf unterschiedliche Art und Weise umzugehen, ist es was uns Menschen ermöglicht in einer sich stetig verändernden Welt und Gesellschaft einen Weg zu finden der, aufbauend auf unseren bisherigen Lebenserfahrungen, der sinnvollste oder eben für uns passendste ist.

Unterstützung & positives Gegengewicht braucht jeder

Natürlich gibt es viele Möglichkeiten anderswo Orientierung, Rat, Fürsprache, emotionale Nähe und Verständnis zu finden, aber da niemand außer uns unseren individuellen Lebenshintergrund hat (Erlebnisse, Bindungen, Erfahrungen oder Kompetenzen), müssen wir mit der vorhandenen Unterstützung selbst einen Weg finden. Natürlich braucht jeder Mensch Unterstützung, Freunde, Vorbilder, Menschen denen er gefallen möchte etc. Und diese Menschen sind es auch die uns prägen und uns in eine Richtung weisen, wie wir aber die Schritte setzen und wer diese Menschen sind mit denen wir uns umgeben, entscheiden wir selbst.

Dass wir auf unserem Weg nicht immer gut funktionieren können und Höhen und Tiefpunkte haben versteh sich von selbst. Das heißt es ist einfach nur menschlich und passiert jedem, dass wir Erwartungen oder Anforderungen enttäuschen, dass wir uns schwach und verletzlich fühlen, angesichts einer Herausforderung zweifeln oder manchmal nicht wissen wie wir mit den schwierigen Emotionen und Lebensereignissen umgehen sollen.

Wie erwähnt muss jeder seinen eigenen Weg und seine eigenen Deutungen für das Erlebte finden. Neben der Auseinandersetzung mit schwierigen Gefühlen, Herausforderungen oder Sinnfragen, bei der uns Zuspruch, Verständnis und das Teilen von Erfahrungen helfen kann, ist es oft sehr hilfreich auch darauf zu schauen, wie man diese schweren Seiten des Lebens mit positiven Erlebnissen und Erfahrungen etwas ausgleichen kann.

Schwieriges mit den schönen Seiten aufwiegen

Neben dem Auseinandersetzen mit schwierigen Gefühlen (im Gespräch, mit Tagebuch, in einer Therapie etc.) gibt es noch andere Möglichkeiten die helfen können ein zufriedenerer Mensch zu werden oder Herausforderungen im Leben besser begegnen zu können. Wenn wir darauf achten, was uns gut tut und uns positive Gefühle gibt, kann uns dies die Kraft geben, den Schwierigen Themen mit Zuversicht entgegen zu treten und Belastungen auszugleichen. Auch ist es ungemein wichtig zu lernen es sich selbst wert zu sein, sich selbst wichtig zu nehmen und anderen auch mal die kalte Schulter zu zeigen.

Es gibt leider viele Sachen, die uns vermeintlich gut tun und glücklich machen, aber in ihrer Art nicht konstruktiv sind, sondern uns eher im Weg stehen. So ist es wenig hilfreich die negativen Emotionen einfach zu verdrängen, auch ist es nicht nachhaltig hilfreich sich mit dem Genus von Suchtmitteln „positive“ Gefühle zu verschaffen. Bei allen Verhaltensweisen die positive Gefühle verschaffen ist aber auch wichtig, dass wir sie nicht zu exzessiv nutzen und versuchen aus verschiedenen Möglichkeiten zu wählen, da alles was sich gut anfühlt „Suchtverhalten“ und damit Einseitigkeit und die Vernachlässigung wichtiger anderer Lebensbereiche mit sich bringen kann.

 

Möglichkeiten Positives zu erleben

Nachfolgend ein paar Erlebnisse, Verhaltensweisen und Erfahrungen die positive Gefühle mit sich bringen und uns gut tun und uns ein guter Ausgleich sein können. Auch sind dies positive Emotionen die wir selbst herbeiführen und pflegen können und die (solange nicht zu exzessiv betrieben) konstruktiv für unsere Lebensbewältigung sind:

  • das Erleben von Selbstwirksamkeit – meint, dass wir etwas produktives tun, etwas erschaffen, Aufgaben erledigen, Sport machen, etwas beeinflussen und mitbestimmen etc. und dabei unsere eigene Kompetenz, unsere Position und unser Können erleben
  • verstanden und akzeptiert werden – wenn andere uns nehmen wie wir sind und unsere Empfindungen wertschätzen und nachvollziehen können wie wir uns fühlen, warum wir etwas tun und uns als diese Person akzeptiert und mag wie wir sind
  • verbunden fühlen – wenn wir Erlebnisse, Erfahrungen, Gefühle oder Ansichten mit anderen gemeinsam haben oder zusammen erleben. Wir teilen dann etwas was uns verbindet. Dies kann auch sein, wenn wir Musik hören oder einen Film sehen, der uns emotional anrührt.
  • authentisch/ungehemmt zeigen wie man ist (Vertrauen) – wenn wir weder höflich, noch diplomatisch, einfach ungeschminkt sagen und zeigen können wie wir drauf sind, spontan ohne nachzudenken handeln können und uns sicher sind, der andere kann damit umgehen
  • Anerkennung bekommen – wenn wir positives Feedback und Anerkennung von anderen Menschen (besonders wenn sie uns wichtig sind) bekommen, dafür was wir tun oder wer wir sind
  • Emotionen ausdrücken – wenn wir unsere Emotionen im Gespräch, beim Schreiben oder auf andere künstlerische Weise (z.b. beim Malen, Tanzen, Musik machen etc.) ausdrücken und sie aus unserem Inneren hinaus in die Welt geben
  • in Kontakt sein – wenn andere auf uns reagieren, sich für uns interessieren, sie bei uns Gefühle auslösen und wir bei ihnen wiederum Gefühle auslösen und wir uns dies gegenseitig zeigen und sagen können
  • sinnliche Erlebnisse – schöne Körperwahrnehmungen erleben. Sei es die warme Sonne im Gesicht zu spüren, etwas gutes zu essen, den Rücken massiert zu bekommen, ein besonders ergreifendes Lied hören, sich zu küssen, körperliche Nähe und gefühlvolle Sexualität erleben
  • Lebendigkeit spüren – aus einem inneren Bedürfnis heraus zu tanzen, zu singen, zu springen etc. die eigene Energie auszudrücken ohne damit ein Ziel oder einen Zweck zu verfolgen
  • sinnstiftende Erfahrungen und Entwicklung – Erkenntnisse oder Erfahrungen machen, die uns verändern und uns helfen unserem Leben und unseren Erfahrungen einen Sinn zu geben, sodass wir auf einmal Verstehen und oder in der Lage sind ein neuer anderer Mensch zu werden – also uns weiter zu entwickeln
  • Bewunderung empfinden und sich identifizieren – sich mit Menschen umgeben, die wir toll finden, von denen wir lernen können und die uns Vorbilder sind, mit deren Sicht oder Tun wir uns identifizieren und wo wir stolz sind sie zu kennen, ihnen nahe zu stehen oder von ihnen zu lernen
  • Dankbarkeit empfinden und empfangen – es kann glücklich machen anderen etwas gutes zu tun, wofür sie uns sehr dankbar sind und warmherzig zeigen, dass sie froh sind, dass es uns gibt. Oder anders herum, wenn wir jemand anderem gegenüber Dankbarkeit empfinden und uns freuen, dass jemand uns unterstützt, für uns dar ist und uns über diesen Menschen freuen
  • ….

All dies sind Erfahrungen, die wir positiv erleben, da sie unsere psychischen Grundbedürfnissen pflegen und damit unserem psychischem Wohl zuträglich sind. Um ein gutes Leben zu haben brauchen wir von diesen Erfahrungen, da sie uns Kraft und Freude geben.

Da wir Menschen verschieden sind (Handlungsorientiert, Lageorientiert etc.) streben wir meist bestimmte dieser Erfahrungen mehr an als andere, grundsätzlich ist es aber gut sich hierbei nicht zu einseitig auszurichten und auch mal versuchen den eigenen Horizont zu erweitern.

euer Johannes Supertramp

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