EigenerText: Funktion von Emotionen verstehen

Unser ganzes Leben besteht aus Emotionen, sie sind es die uns lenken, die entscheiden, uns motivieren oder uns erstarren lassen. Sie bringen uns dazu Gutes zu tun, sind aber auch Ausgangspunkt für Gewalt, Betrug und Hass. Sie geben unserem Handeln Sinn und erfüllen unser Leben – den Ablauf von Prozessen, Wechselwirkungen und Zustandsänderungen – mit Bedeutung, Wert und Notwendigkeit.

Emotionen sind also nicht unwichtig, noch überbewertet oder trivial. Sie sind nicht gut und nicht schlecht, sondern der Leitfaden in unserem Leben. Sie helfen uns sinnvoll zu entscheiden, unsere Interaktionen und unser Leben zu gestalten, machen das Leben aber auch ab und an schwer, kompliziert und problembeladen. Sie erscheinen immer wieder irrational, sind uns unverständlich und können widersprüchlich sein. Sie können viel bewirken, uns zu außergewöhnlichen Leistungen treiben, aber auch hinderlich sein und sogar zerstörerische Kraft entfalten.

Licht und Schatten, liegen nah bei einander

sea-1266003_1280Wenn verschiedene Emotionen gut zusammen spielen, können sie unser Verhalten erstaunlich konstruktiv, komplex, differenziert und uns damit erfolgreich im Umgang mit anderen Menschen und in der Interaktion mit unserer Umwelt machen. Wenn wir das sind, gelingt es uns gut unsere Ziele zu erreichen, einen guten Platz in der Gesellschaft zu finden und ein zufriedenes Leben zu führen.

Was aber, wenn unsere Emotionen zu einseitig, zu stark, unreflektiert/unbewältigt oder destruktiven Charakter haben? Sie können dann nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch das der Menschen um uns herum in den Abgrund stürzen. Sie verhindern dann einen konstruktiven Umgang mit Erlebten und den Anforderungen unsere Umfelds. Statt dessen neigen wir dann zu starrem, auf eine bestimmte Emotion ausgerichtetes Verhalten und sehen die Welt nur noch in einer bestimmten Färbung. Nehmen nur noch einseitige Emotionen, wie Hass, Missgunst oder Misstrauen wahr und bewerten andere unfair und urteilen ungerechtfertigt. Wir lehnen andere oder uns selbst ab, werden Rücksichtslos und verbauen uns damit ein erstrebenswertes Leben und die Zuneigung unserer Nächsten. Wir hindern uns so selbst bei der nachhaltigen Verfolgung unserer Ziele und dem Aufbauen eines zufriedenstellenden Lebens.

Emotionen funktionieren unkompliziert

Eigentlich sagen uns unsere Emotionen nur, wie wir unsere Grundbedürfnisse befriedigen können, also was wir brauchen um uns wohl zu fühlen und um uns gut zu entwickeln. Positive Emotionen sagen, dass wir auf einem guten Weg sind und uns einem positiven Zielzustand annähern. Negative Emotionen sagen, dass wir uns von einem positiven Zustand entfernen und uns in einer Situation befinden, die ungünstig für unser positives Gedeihen ist und wir somit unsere Situation verändern sollten. Je nachdem welche Emotion wir empfinden, können wir auf das dahinter liegende, unbefriedigte bzw. verletzte Grundbedürfnis schließen.

Die nachfolgende Übersicht zeigt die menschlichen Emotionen und zeigt, welche Bedürfnisse hinter der jeweiligen Emotion stehen. Wissen wir welches unbefriedigte Bedürfnis die Ursache für eine negative Emotion ist, können wir aktiv etwas tun um diese Emotion zu bewältigen. Und zwar können wir versuchen dieses Bedürfnis aktiv durch unser Handeln zu befriedigen.

Funktion von Emotionen

Da wir Menschen meist komplexe Situationen erleben, die mehrere Aspekte und Ebenen haben, können auch mehrere Emotionen gleichzeitig aktiviert werden. Außerdem beeinflussen unsere Erfahrungen, welche Emotionen wie, wann und wie stark auftreten. Dieses erlebte subjektive Emotionsgemisch, kann man auch als Gefühl bezeichnen (Gefühle kann man unendlich viele finden, die Zahl der Emotionen ist jedoch begrenzt). Selten erleben wir eine reine Emotion, sondern meist komplizierte Gefühle, die mit bestimmten Denkprozessen und Erfahrungen verknüpft sind. Also müssen wir häufig erst ergründen, was wir da eigentlich empfinden.

Sekundäre Emotionen als Anpassung auf Belastungen

Manchmal kommt es auch vor, dass wir aufgrund persönlicher Erfahrungen bestimmte an sich positiven Emotionen als unangenehm und belastend empfinden oder das wir negative Emotionen nicht ausdrücken durften und entwickeln deshalb dann ein Bewältigungsschema, dass dazu führt, dass wir eine sekundäre Emotion empfinden, die die ursprüngliche Emotion überlagert. Dann können wir zum Beispiel statt Stolz Minderwertigkeit empfinden oder statt Ärger Trauer (vgl. Lammers 2007).

Findet man selbst nicht heraus, welche Emotion man empfindet oder kann den Sinn der Emotion nicht verstehen und leidet aber unter dieser Emotion, ist es empfehlenswert therapeutische Unterstützung aufzusuchen.seagull-115618_1280

Können Emotionen schlecht sein?

Wenn wir selbst sehr starke oder, angesichts einer bestimmten Situation, übertriebene Emotionen empfinden, führt das oft zu unangemessenem oder zumindest wenig hilfreichem Verhalten und kann uns so Unverständnis, soziale Schwierigkeiten, Verärgerung und Tadel einbringen. Oft heißt es dann jemand sei faul, willensschwach oder zügellos – womit die Verantwortung für dieses emotionale Erleben und dem daraus resultierendem Verhalten einzig unserem Willen zugeschrieben wird. Aber auch jemand der sich anders verhalten will, kann dies nicht einfach so, sondern muss sich sehr intensiv mit sich selbst und seinen Erfahrungen auseinandersetzen. Indirekt wird mit solchen Aussagen häufig auch vermittelt, dass wir diese Emotionen oder zumindest unsere Reaktionen verändern sollten und dass es ja kein Problem sein kann, sich anders zu verhalten (weil andere das ja auch können). Unsere Emotionen sind jedoch die Boten unserer Erfahrungen und damit nicht so leicht änderbar, denn unsere Erfahrungen können wir nicht nachträglich verändern. Wir können lediglich neue Erfahrungen sammeln, wie es beispielsweise bei der Verhaltenstherapie gemacht wird, um bestimmte Situationen mit anderen Emotionen zu verknüpfen oder aber die Bewertungen und Gedanken zu belastenden Erfahrungen verändern.

Emotionen an sich sind zunächst weder gut noch schlecht, sie vermitteln lediglich eine Orientierung die sich aus der Summe unserer Lebenserfahrung ergibt und uns ermöglicht unser Verhalten zu lenken. Erst die Art der Erfahrungen die wir gemacht haben, bedingt ob unsere Emotionen in einer Situation „gut“ oder „schlecht“ – sprich ob sie funktional sind oder eben nicht. Ohne Emotionen könnten wir keine Entscheidungen treffen, wären ohne Motivation und würden unsere Bedürfnisse nicht kennen. Ohne Emotionen wären wir also nicht überlebensfähig. Emotionen sind also unabdingbar, allerdings macht es durchaus Sinn zu versuchen belastende oder unangemessene Emotionen, die uns immer wieder Probleme machen zu verändern.

Emotionales Erleben als Puzzle unserer Lebenserfahrung

Emotionen brauchen wir. Nur erhält jeder im Laufe seines Lebens unterschiedliche Emotionsauslösenden Erfahrungen, weshalb verschiedene Menschen in der gleichen Situation unterschiedliche Emotionen empfinden können.

Unser Leben ist wie ein Puzzle von dem wir nicht alle Teile haben. Wir erhalten mit jeder neuen Erfahrung andere Teilchen, die wir mit den bereits vorhandenen verknüpfen müssen. Mit etwas Glück ist die Reihenfolge der Erfahrungen so, dass wir die Teile gut zusammensetzen können und so ein Bild/Motiv, einen Sinn erkennen, an dem wir uns orientieren können. Ist die Reihenfolge der Erfahrungen so, dass wir mit einer Situation nicht umgehen können, oder erhalten wir Puzzelteile, die gar nicht zu dem Rest passen und deren Vorhandensein keinen Sinn zu machen scheint, werden wir es schwerer haben im Leben als andere. Erlebnisse, die wir nicht gut verstehen und die keinen Sinn machen (sprich Puzzleteile die wir nicht an andere anschließen können oder die nur einen unschönen Teil des Puzzles zeigen) , sind oft der Grund für unangemessene Emotionen. Das heißt aber nicht, dass wir die fehlenden Puzzelteile, die diese negativen Erlebnisse sinngebend mit den anderen verbinden, nicht aktiv suche können.

pieces-of-the-puzzle-592798_1280Je nachdem welche Teile des Puzzles und in welcher Reihenfolge wir diese im Laufe unseres Lebens erschließen, sehen wir einen anderen Ausschnitt des Puzzels (der mal positiver und mal negativer aussieht), weshalb wir alle verschiedene Schlussfolgerungen ziehen, unterschiedliche Emotionen erleben, uns anders verhalten und andere Lebensentwürfe ersinnen. Leider können wir uns nicht aussuchen, welche Puzzelteile wir wann erhalten, da die Auswahl zu großen Teilen durch unser Umfeld und unsere Interaktionspartner dirigiert wird (zumindest so lange wir jung sind). Das ist der Grund, warum unser Umfeld entscheidend dazu beiträgt welche Emotionen wir erleben, wer wir sind, was wir erstreben und welchen Sinn wir unserem Leben geben und welche Identität wir annehmen oder anstreben. Allerdings können wir auch selbst aktiv versuchen bestimmte Erfahrungen zu machen und dadurch unser Puzzle eigenständig, strategisch sinnvoll zu vervollständigen (sprich das emotionale Erleben verändern). Denn je besser unser emotionales Erleben und die daraus resultierenden Verhaltensweisen an unser Umfeld angepasst ist, desto besser ist das für uns und unsere Zufriedenheit.

Je besser die verschiedenen Puzzelteile sich zu einem Ganzen und sinnvollen Bild zusammen fügen lassen, desto stabiler sind wir und desto angemessener ist wohl unser emotionales Erleben. In der Psychotherapie wird versucht diese Zusammenhänge zwischen den Puzzleteilen herzustellen und das innere Erleben verständlich zu machen und mit Sinn zu untermauern. Diese veränderte Wahrnehmung kann auch unser emotionales Erleben verändern und damit unser Verhalten und dadurch unser ganzes Leben.

 

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